It is happening now
Die Verlaufsform (oder “present continuous” bzw. ‑ing-Form des Verbes) gibt es auch im Deutschen, wo sie ein zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfindendes und andauerndes, nicht-punktuelles Ereignis (Wikipedia) ausdrückt. Beispiele sind:
- “Ich bin beim Nachdenken”
- “Die Pflanze ist im Wachsen”
Im Englische kommt das Present Continuous in verschiedenen Situationen zum Einsatz:
Um etwas zu beschreiben, das genau im Moment der Rede passiert:
- The boy is laughing.
Um eine Handlung zu beschreiben, die jetzt stattfindet, aber nicht genau zum Zeitpunkt der Rede;
- He is working in Dubai.
Um ein in der Zukunft geplantes Ereignis zu beschreiben (in Kombination mit einem Zeitindikator für die Zukunft):
- I´m resitting my French exam on Tuesday.
Mit always in der Bedeutung von often (wird verwendet, um die Häufigkeit einer Handlung auf humorvolle oder hyperbolische Weise zu betonen):
- My mother is always making me go to school! She is always playing with that doll! He is always eating chocolate.
Um eine Handlung zu beschreiben, die jetzt stattfindet und einer Unterbrechung unterworfen ist:
- Ellen cannot come to the phone since she is sleeping.
Diese Fälle stellen kein Problem bei der Übersetzung ins Deutsch dar.
I am doing it
Die Verlaufsform wird benutzt, um auszudrücken, dass man gerade etwas tut. So wird sie im militärischen Kontext (und auf der Brücke der Enterprise) zur Bestätigung eines Befehls eingesetzt.
- Entering the coordinates.
Auch dieser Fall einer Nutzung des Present Continuous ist keine Herausforderung für die Übersetzung (“Ich geben die Koordinaten ein.”).
Something is happening or is being done
Jetzt zum Problemfall. Ein Projektor (“Beamer”) wird eingeschaltet und das Wort “Sucht” erscheint auf der Wand (Beispiel aus Böcker & Robers (2015)). Eine Sucht ist „eine Abhängigkeit (…) [und] bezeichnet in der Medizin das unabweisbare Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden die Kräfte des Verstandes untergeordnet”. (Wikipedia) Rätselhaft. Aber halt, es könnte sich auch um den Imperativ Plural von „suchen“ handeln. Wir sollen suchen? Oder ist womöglich die dritte Person Singular (er, sie, es sucht) gemeint?
Die Auflösung des Rätsels findet sich, wenn man den Projektor auf Englisch als Menüsprache einstellt: das Wort “searching” erscheint, was vermittelt, dass jemand etwas sucht, vermutlich der Projektor ein Quellgerät.
Das Problem mit der englische Verlaufsform ist, dass sie sinnvoll erscheinen kann, selbst wenn weder Subjekt noch Objekt genannt werden (ein Betriebssystem meldet beim Herunterfahren “shutting down”).
Die englische Verlaufsform wird bei der Übersetzung ins Deutsche (und andere Sprachen) meist mit einem Passiv übersetzt (etwa „Windows wird heruntergefahren“). Dabei muss das Objekt genannt werden, die Frage nach dem Handelnden kann offen bleiben. Wird das Objekt nicht genannt, bleibt die Aussage kryptisch (so heißt es bei Windows 10: “Starten”, „Wird heruntergefahren“ und „Wird neu gestartet“, Sätze, die seltsam unvollständig erscheinen).
Die Lösung ist, Verlaufsformen möglichst zu vermeiden oder zumindest das Objekt und idealerweise auch das Subjekt zu nennen, also “Windows wird heruntergefahren” — auf dem Bildschirm wäre Platz genug dafür.
Übrigens wäre die deutsche Analogie zur englischen Verlaufsform eine Passivformulierung wie die eines Bäckers an einem deutschen Flughafen: „Hier wird für Sie frisch gebacken“. Dieser Satz hat weder Subjekt noch Objekt (es bleibt offen, wer backt und was gebacken wird) und kann im Englischen wohl nur durch eine Umformulierung in “Freshly baked for you“ oder “Freshly baked bread“ übersetzt werden.
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