Der Wert einer guten Aussprache

Das Deutsche bietet für sein ver­gle­ich­sweise kleines Ver­bre­itungs­ge­bi­et eine unge­heure Vielfalt an Dialek­ten, die sich aus his­torischen Grün­den (Stich­wort autonome Teil­staat­en, Kan­tone und Bun­deslän­der) sehr lange gehal­ten haben. Kurz zur Unter­schei­dung zwis­chen Akzent und Dialekt: ein Dialekt ist eine mundartliche Fär­bung bzw. Wort­wahl eines Mut­ter­sprach­lers (also etwa Ober­schwäbisch). Ein Akzent ist die Fär­bung des Sprech­ers ein­er Fremd­sprache (etwa ein Fran­zose spricht Deutsch mit franzö­sis­chem Akzent).

In Deutsch­land betra­cht­en wir die Dialek­te als unser kul­turelles Erbe und tun Einiges, diese Vielfalt zu erhal­ten. Den­noch bemühen wir uns, neben der Mundart die ‚Stan­dard­sprache’, also etwa das Hochdeutsche in der Bun­desre­pub­lik Deutsch­land, möglichst akzent­frei zu sprechen. Mundartliche Fär­bun­gen bleiben dabei häu­fig erhal­ten (siehe etwa die selb­stiro­nis­che Wer­bekam­pagne des deutschen Bun­des­lan­des Baden-Würt­tem­berg – „Wir kön­nen alles außer Hochdeutsch“).

Warum bemühen wir uns, im Zweifels­fall neben dem Dialekt auch das Hochdeutsche zu beherrschen? Um die Frage zu beant­worten, stelle man sich einen Fachvor­trag in Quan­ten­physik oder zur Außen­poli­tik vor, der von einem Sprech­er mit aus­geprägtem nieder­bay­erischem oder säch­sis­chem Dialekt vor­ge­tra­gen wird. Würde dieser Vor­trag die gle­iche Wirkung erzeu­gen, als wenn er in Hochdeutsch vor­ge­tra­gen würde? Vielle­icht, aber die Dialek­te wür­den zumin­d­est einige Zuhör­er, die nicht in ihnen zuhause sind, erhe­blich ablenken.

Sehr viel anders ver­hält es sich let­ztlich auch nicht im Englis­chen. Ins­ge­samt gilt in Eng­land, dass, je höher jemand in der sozialen Hier­ar­chie hin­auf­steigt, desto weniger wird sein Sprachge­brauch von regionalen Merk­malen bee­in­flusst sein. Im Umkehrschluss wird mit „Received Pro­nun­ci­a­tion“ (abgekürzt RP, ste­ht für das gehobene und offizielle Englisch, etwa „BBC Eng­lish“) Wohl­stand und ein hoher gesellschaftlich­er Sta­tus ver­bun­den. In Exper­i­menten kon­nte sog­ar nachgewiesen, dass ein RP Sprech­er von Zuhör­ern als intel­li­gen­ter eingeschätzt wird, als wenn er mit einem Dialekt der Stadt Birm­ing­ham spricht. 

Received Pro­nun­ci­a­tion, oder kurz “RP” ist ein Akzent, der mitunter auch als Queen’s Eng­lish, King’s Eng­lish oder Oxford Eng­lish beze­ich­net wird.

Wikipedia

Es kommt noch schlim­mer: Kris­tiansen ließ 240 Ver­suchsper­so­n­en eine Kurzgeschichte hören, die von ein und der­sel­ben Per­son entwed­er in RP, dem Dialekt von Devon (Süd­west­eng­land) und dem Lon­don­er Dialekt „Cock­ney“ vorge­le­sen wurde. Anschließend soll­ten die Ver­suchsper­so­n­en den Sprech­er beurteilen. Der RP-Sprech­er wurde, wie auch in dem oben beschriebe­nen Exper­i­ment, als intel­li­gent beschrieben, darüber hin­aus als erfol­gre­ich, wohlhabend und ver­trauenswürdig. Es wurde angenom­men, dass er den Sicher­heits­gurt im Auto anlegt und nicht raucht. Der Cock­ney-Sprech­er erschien weniger kom­pe­tent und inte­ger, schien aber der bessere Kumpel zu sein und stand den Zuhör­ern näher. Der Sprech­er des Devon-Dialek­ts lag irgend­wo dazwis­chen (man nahm an, dass er fet­ter wäre als die anderen Sprech­er, und dass er viel frisches Obst äße).

Der RP-Sprech­er wurde (…) als intel­li­gent beschrieben, darüber hin­aus als erfol­gre­ich, wohlhabend und ver­trauenswürdig.

Kris­tiansen

Ähn­liche Trends kon­nte ich vor vie­len Jahren in ein­er kleinen Stu­di­en­ar­beit fest­stellen, die ich während meines Pro­mo­tion­sstudi­ums an der Uni­ver­si­ty of Exeter im Süd­west­en Eng­lands erar­beit­et habe. Dort ging es mir um die Frage, ob „südlich­es“ Englisch im Vere­inigten Kön­i­gre­ich anders bew­ertet wird, als „nördlich­es“ Englisch, und wo die Gren­ze zwis­chen Nord und Süd ver­läuft.

Um let­ztere Frage beant­worten zu kön­nen, habe ich den Teil­nehmern an der Studie (17 Stu­den­ten aus unter­schiedlichen Teilen Eng­lands, Wales und Schot­t­land) eine Umris­skarte der britis­chen Inseln vorgelegt und sie gebeten, eine Lin­ie zu zeich­nen, die nördlich­es Englisch vom südlichen Englisch tren­nt (übere­inan­der gelegt ergaben die Lin­ien, dass diese Gren­ze vom Bris­tol Chan­nel im West­en zur Bucht des „Wash“ in der Nord­see ver­läuft). Inter­es­san­ter für unsere Betra­ch­tung hier ist, dass ich die Proban­den auch gebeten habe, jew­eils drei Eigen­schaftswörter zu nen­nen, die das nördliche und das südliche Englisch für sie am besten beschreiben.

Es ergaben sich 93 Adjek­tive ent­lang der Dimen­sio­nen unpräzis – präzis, inko­r­rekt – kor­rekt, Vielfalt – Stan­dard, hart – weich, bre­it – scharf und laut – leise; dazu kamen rein bew­er­tende Adjek­tive. Nicht über­raschend wurde das südliche Englisch in den meis­ten Fälle mit den pos­i­tiv­eren Adjek­tiv­en belegt.

Was fol­gt aus all­dem? Zumin­d­est in Großbri­tan­nien schließt man aus dem Akzent / Dialekt eines Sprech­ers auf seine Eigen­schaften. In anderen Teilen der englis­chsprachi­gen Welt dürfte dies nicht anders sein. Daher sollte man die Wirkung, die man auf diesem Wege auf andere ausübt, nicht dem Zufall über­lassen. 

Wenn Sie nicht möcht­en, dass Sie nach zwei Sätzen als Deutsch­er erkan­nt wer­den (mit all den pos­i­tiv­en und neg­a­tiv­en Assozi­a­tio­nen, die das mit sich bringt), kön­nen Sie mit der Hil­fe dieses Buch­es ver­suchen, Ihre Aussprache des Englis­chen etwas zu pfle­gen und Ihrem Auftritt dadurch mehr Gewicht zu geben.

Welches Englisch?

Meine per­sön­liche Ansicht ist, dass es weniger wichtig ist, welche Vari­ante des Englis­chen sich Ler­nende aneignen. Viel wichtiger ist es, dass sie sich um Kon­sis­tenz bemühen. Ein Dialekt, der zu gle­ichen Teilen aus britis­chen und amerikanis­chen Ein­flüssen gespeist wird, ist für den Mut­ter­sprach­ler sich­er nicht sehr attrak­tiv. Die Entschei­dung, ob Sie sich um ein Englisch bemühen, wie es in Großbri­tan­nien gesprochen wird, oder um amerikanis­ches oder etwa aus­tralis­ches Englisch soll­ten Sie sich gut über­legen, weil son­st die Gefahr groß ist, dass ein hässlich­er Mis­chmasch das Ergeb­nis ist.

Für einen guten britis­chen Akzent bietet sich die oben genan­nte Received Pro­nun­ci­a­tion (RP) an. Dahin­ter ver­birgt sich der Dialekt des Englis­chen, der auch Stan­dard Eng­lish, „the Queen’s Eng­lish“ oder „BBC Eng­lish“ genan­nt wird – kurz die kul­tivierte Sprache, die ihren Sprech­ern ein gewiss­es Pres­tige ver­lei­ht.

Für einen anerkan­nten nor­damerikanis­chen Akzent kommt das Gen­er­al Amer­i­can in Frage, welch­es die Sprache ist, die am häu­fig­sten in amerikanis­chen Fil­men zu hören ist (Stan­dard Amer­i­can entspricht den in Illi­nois und Iowa gesproch­enen lokalen Dialek­ten).

Diese Web­site ori­en­tiert sich haupt­säch­lich der britis­chen Received Pro­nun­ci­a­tion, dazu kom­men einzelne Beispiele des Gen­er­al Amer­i­can. Die Übun­gen wer­den Ihnen aber grund­sät­zlich auch bei anderen Dialek­ten des Englis­chen weit­er­helfen.