Äxel und Äxes
Stellen Sie sich vor, Sie sitzen an einem sonnigen Tag in Chicago auf der Terrasse eines Cafés. Sie genießen das städtische Treiben, hören das Rauschen des Verkehrs und das Stimmengewirr der Menschen um sich herum, und denken an nichts Besonderes. Plötzlich hören Sie die Stimme eines Mannes am Nebentisch, der etwas sagt, das klingt wie: „Ei tolt mei Häthanta, vi juß Vört, Äxel änd Äxes“.
Sie wissen wahrscheinlich sofort Zweierlei: Ihr Nachbar kommt aus einem deutschsprachigen Land, und er spricht über Bürosoftware. Da wissen Sie dann möglicherweise mehr, als einem amerikanischen Zuhörer klar wäre. Der deutsche Akzent ist für jeden unverkennbar. Die Aussprache verzerrt das Gesagte aber so sehr, dass etwa ein Amerikaner möglicherweise nicht genau versteht, wovon der Sprecher eigentlich redet.
Wo liegt das Problem?
Das Grundproblem bei Schwierigkeiten Deutscher mit der Aussprache des Englischen liegt darin, dass wir alle das „Gepäck“ unserer Muttersprache mit uns bringen, wenn wir eine Fremdsprache erlernen. Zwar kann jedes Neugeborene prinzipiell jede Sprache lernen, allerdings verlieren wir als Kind früh diese Formbarkeit und tun uns umso schwerer mit der korrekten Aussprache einer Fremdsprache, je später im Leben wir anfangen, sie zu lernen.
Das Ergebnis sind Akzente, an denen wir oft sehr genau erkennen können, welche Muttersprache der Sprecher einer Fremdsprache ursprünglich gelernt hat. Franzosen kämpfen häufig mit der Aussprache des H, und erwachsene Deutsche lernen oft nicht mehr, ein englisches TH oder ein spanisches RR vernünftig auszusprechen.
Durch diesen Ballast der Muttersprache erkennen wir sofort den Holländer, der Englisch spricht, den Deutsch sprechenden Franzosen und die Französisch sprechende Amerikanerin.
Warum wird dem muttersprachlichen Akzent keine größere Bedeutung beim Erlernen einer Fremdsprache beigemessen? Nun, zum einen erlernen deutsche Muttersprachler Fremdsprachen meist von deutschsprachigen Lehrern. Diese sind sich häufig ihres eigenen Akzents nicht bewusst. Übrigens, was im Folgenden über Muttersprachler des Deutschen gesagt wird, gilt im Großen und Ganzen unabhängig davon, ob sie in Deutschland, der Schweiz, Österreich oder anderen Ländern aufgewachsen sind.
Viele Lernende streben zunächst einmal ein ausreichend großes Vokabular und grundlegende Grammatikkenntnisse an, um sich in der fremden Sprache „durchschlagen“ zu können. Die richtige Aussprache nimmt man sich für später vor, doch dazu kommt es dann oft nicht mehr. Hinzu kommt, dass man in der Regel auch mit einem starken Akzent verstanden wird, sodass alles in Ordnung scheint. Aber ist es wirklich so?
Ungewollte Komik
Ein Akzent klingt nicht nur fremd, er führt auch zu Missverständnissen und ungewollter Komik. Wie wir weiter unten sehen werden, tendieren Deutsche dazu, unterschiedliche englische Wörter gleich auszusprechen. Head (Kopf) und hat (Hut) beschreiben Unterschiedliches. So wie bed (Bett) und bet (Wette) verschiedene Dinge sind, wie auch food (Essen) und foot (Fuß).
Nun ist dies kein spezifisches Problem von Muttersprachlern des Deutschen, und Angelsachsen haben täglich mit Besuchern und Kollegen ausländischer Abstammung zu tun und sind daher Akzente aller Art gewohnt. Dennoch beschleicht uns gelegentlich das Unbehagen, mit einem ausgeprägten Akzent nicht voll ernst genommen zu werden.
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